Lesung von Kurt Tallert in der Gemeindebücherei Kastl: „Spur und Abweg“ – Ein literarischer Brückenschlag in die Vergangenheit
Kurt Tallert, bekannt als Retrogott und prägende Figur der deutschen Rap-Szene, präsentierte in der Gemeindebücherei Kastl sein literarisches Debüt „Spur und Abweg“. Das Buch beleuchtet die Verfolgungsgeschichte seiner deutsch-jüdischen Familie und verbindet persönliche Erinnerungen mit historischen Reflexionen.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Tallerts Lesung gliederte sich in zwei Teile: Er begann mit eindringlichen Passagen aus seinem Buch, gefolgt von einer Fragerunde. Besonders berührend war das Kapitel „Das Absurde“, das die absurden Einschränkungen der NS-Zeit schildert – etwa, dass sein Vater das Radio nur unter Aufsicht seiner „arischen“ Mutter nutzen durfte. Eine weitere Passage beschrieb Tallerts Erinnerungen an einen Besuch im KZ Buchenwald, der ihn als Sechsjährigen tief prägte.
Er erzählte auch von den beruflichen Herausforderungen seines Vaters, der nach dem Krieg als Journalist und SPD-Abgeordneter mit der Rückkehr ehemaliger NS-Funktionäre in Führungspositionen konfrontiert wurde. Die Lesung schloss mit der tragischen Geschichte seiner Urgroßmutter Berta, die in einem Konzentrationslager ermordet wurde.
Ein Dialog mit der Vergangenheit
Auf die Frage, warum er sich literarisch mit der Geschichte seiner Familie auseinandersetzte, erklärte Tallert: „Ich entdeckte Tagebücher und Briefe meines Vaters, die mir neue Zusammenhänge eröffneten. Dieses Buch ist mein Versuch, seinen Wunsch zu erfüllen, über ‚die Absurdität der Nazis‘ zu schreiben.“ Tallert sieht seinen Vater als Co-Autor und bezeichnet das Buch als Raum der Trauer und private Gedenkstätte.
Mit einem Lächeln ergänzte er: „Was ich meinem Vater heute sagen würde? Erst einmal: ‚Danke!‘ Aber dann auch: ‚Wie konntest du in Deutschland bleiben?‘“
Hoffnung und Erinnerung
Zum Abschluss bedankte sich Tallert beim Büchereiteam der Gemeindebücherei Kastl und würdigte die Bedeutung der Veranstaltungsreihe „Lesen gegen das Vergessen“. Mit langem Applaus honorierte das Publikum die bewegende Lesung.
„Spur und Abweg“ ist mehr als ein Buch – es ist ein eindringliches Stück Erinnerungskultur, das Vergangenheit und Gegenwart in Dialog bringt.
Das Buch „Spur und Abweg“ kann in der Gemeindebücherei entliehen werden.